09
Dezember
heimat



heimat, fällt schwer...

 
 
wolfgang michal* fragt: viele rätseln derzeit über den partiellen “Linkskurs” des konservativen Leitmediums. Vor allem der forsche Antikapitalismus im Feuilleton wirkt auf manche berauschend. Wird die Frankfurter Redaktion zum Zentrum der deutschen Occupy-Bewegung oder ist alles nur Schall und Rauch?

hm. ich sehe weder das eine noch das andere. ich neige eher dazu, daß herr schirrmacher diesen kurs genau deshalb verfolgt, weil er konservativ ist. ich weiß nicht, ob da rechts und links noch richtig paßt. was meinen wir denn damit? autoren wie jens becker, wolfgang streeck, michael hudson und david graeber oder sarah wagenknecht einzuladen, spricht doch erst ein mal von offenheit für sichtweisen. vielleicht habe ich da eine falsche vorstellung von zeitung, aber ich erwarte solche widersprüche.

ich glaube wirklich, daß er es so sieht: "Die Krise der sogenannten bürgerlichen Politik, einer Politik, die das Wort Bürgertum so gekidnappt hat wie einst der Kommunismus den Proletarier, entwickelt sich zur Selbstbewusstseinskrise des politischen Konservatismus." den es offensichtlich zunehmend, so verstehe ich es, zu verteidigen gilt.

was hat denn er geschrieben?
zu fukishima: Man kann das auch auf die Debattenlage in Deutschland übertragen. Es gibt einen Moment, in dem, um Gert Anhalt zu zitieren, der Lebenskreis sich schließt und man wieder dort steht, wo man angefangen hat. Darum reden wir soviel von Tschernobyl und Three Mile Island. In solchen Zeiten können Worte wie „Übergang“, „Brückentechnologie“, „Transition“ nur noch Triviales bedeuten. Denn das war ja die Erfahrung der letzten Jahrzehnte: dass alles nur ein Übergang ist – und „Übergang“, das hat Frank Kermode einst gezeigt, ist in der Moderne selbst zu einem Begriff aus dem Wörterbuch der Apokalypse geworden, weil er als Erfahrung einer unaufhörlichen Krise erlebt wird.

zu sarrazin: Der Staat, bis hin zum Bundespräsidenten, der mitteilen lässt, man wüsste wohl hoffentlich in der Bundesbank, was nun zu tun sei, hat Kritik für seine Zwecke missbraucht. Er konnte sich lediglich auf das Gerücht einer Wirkung berufen.
...
Was wäre in den Zeiten von Peter Glotz, Richard von Weizsäcker, dem Generalsekretär Kurt Biedenkopf – was wäre geschehen? Die Redaktionen hätten sich nicht retten können vor intellektuellen Einsprüchen, Widerlegungen, Korrekturen, Protesten, Debatten – und jetzt? Nur die Kälte der Macht, die nicht liest und nicht zu lesen gedenkt. Es ist die gleiche Macht des Staates, welcher, quer durch alle Schichten, die Eltern begegnen, die ihre Kinder nicht mehr in bestimmte Schule schicken wollen und es dennoch müssen: Es ist die Berührung mit einem System, das Empathie mit Schwäche verwechselt und auf seine Durchsetzungsrechte pocht.


noch einmal sarrazin: Die Frage stellt sich, ob sich der sogenannte öffentliche Diskurs in Sachen Sarrazin und dessen, wofür sein Erfolg steht, nicht allmählich zu einer Kommunikation der permanenten Notlüge entwickelt. Diese Gesellschaft ist nicht in der Lage, ein irreleitendes Buch zu diskutieren.
...
Wir sind noch nicht einmal in der Lage, das Anstößige dieses Buches von seinen sachlichen Teilen zu trennen. Dabei ist es ganz einfach. Man nehme diesen Satz: „Das Muster des generativen Verhaltens in Deutschland seit Mitte der sechziger Jahre ist keine Darwinsche natürliche Zuchtwahl im Sinne von ,survival of the fittest‘, sondern eine kulturell bedingte, vom Menschen selbst gesteuerte Auswahl, die den einzigen nachwachsenden Rohstoff, den Deutschland hat, nämliche Intelligenz, relativ und absolut in hohem Tempo vermindert.“ Das ist Sarrazins Bruch mit unserem westlichen Kulturbegriff.


also ich lese da eine kritik an der "sogenannten bürgerlichen politik" heraus, die sich vielleicht in seinen jüngeren artikeln zuspitzt, die aber schon auf genau diese "selbstbwußtseinskrise des politischen konservatismus" hindeutet.

mag sein, daß ihm eine fangemeinde im internet nützlich ist, daß er an das leserpotential denken muß, was auch immer.

clownesk finde ich das eher nicht.

(* michal, nicht michel, natürlich; wer lesen kann ist klar im vorteil)

 
 

 
 
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