das interview ist (doch) lesenswert; hat mich ganz entfernt an den artikel von david graeber im "thebuffer" erinnert. auch wenn mir die theorie des akzelerationismus bisher einleuchtender erscheint. aber wer weiß schon. der kapitalismus bringt zuweilen entgegensätzliche phänomene hervor. die ökonomen, also die vergangenheitserklärer im allgemeinen, sagen: geht nicht. ist aber so. oder, im wahren sinne des wortes, ist es eben egal.
und was mich eigentlich fasziniert hat (am interview), war ein satz: "die erfolgreichsten pseudosender sind diejenigen, die dinge auspacken, die sie gekauft haben." mit dieser art youtube-kultur beschäftige ich mich nicht, das mir viel zu traurig. ich komme auch nur darauf, weil ich mich an diesen satz erinnert habe, als ich heute und das erste mal im radio den "freitag salon" gehört habe. da ging es nämlich unter anderem um einen streit zwischen böhmermann und youtubern, sozusagen um diesen punkt: dinge auspacken, die sie gekauft haben, und andere damit zu verblöden. hinter der faszination steckt, nur soviel, keine be- sonderen eine ausgemachte verwunderung.
ob nun be- oder entschleunigung das system zum zusammenbrechen bringen, ist letzlich auch egal.
vollendet hat man die pflege des historischen bewußtseins (natürlich) mit dem abriss des palastes der republik, der mir als volkspalast ganz gut gefiel, oder besser noch als palast des zweifels. jetzt, im jahr 2015 kann man auch sagen, das wort zweifel passt nicht zu diesem land. (und es war ja nicht so, daß man mit dem symbolträchtigen abriss macht demonstrieren wollte, man war nur ohnmächtig dem bösen und schädlichen asbest gegenüber. da kann man nichts machen, da mußte man was tun. ganz abgesehen davon, daß der palast ja geradezu doppelbödig widerrechtlich stand wo er stand.)
ob es das historische bewußtsein nun erweitert, wenn das schloß wieder in neuem glanze entsteht, das sei mal dahin gestellt. heute ist es noch ein politikum, in ein paar jahren regt sich keiner mehr drüber auf. es mag schade sein, der ambivalenz von denkmälern oder gebäuden nicht gerecht zu werden; das schloss, welches heute absolut anachronistisch wirkt, wird im stadtbild der zukunft normalität sein. das sein wird das historische bewußtsein bestimmen. und vielleicht ist das mit dem sprengen etwas voreilig. man könnte ja das schloss bis zur ber-eröffnung einfach verhüllen, wahrscheinlich und wenigstens bis in die ewigkeit.
so ziemlich am anfang hat die spd sich als die innerkoalitionäre opposition verkauft, oder verkaufen wollen. mal ehrlich: keine ahnung, wer das in der spd hätte bewerkstelligen sollen.
#
und ob die damit in die geschichte beziehungsweise in die geschichtsbücher für neue märchenerzählungen, frei nach den neuesten rahmenleerplänen für das fach geschichte, eingehen werden?
#
die innerkoalitionäre opposition unter sigmar, dem gabriel, wird ein phantom bleiben. schon deshalb, weil die rahmenleerpläne offen lassen (werden), ob phantome der geschichte chronologisch oder vermempelt mit irgendwas den geschichtsdurstigen vermittelt werden sollten oder könnten. müssten? da müsste man wohl eher google fragen, oder nach deren algorithmen.
#
es könnte also gut sein, daß kind1 und kind2 gar nicht über den sigmar, den gabriel unter denjenigen, lachen, der in den künftigen leerplänen keinen platz finden wird (für ganz alternative: als so eine art sozialisierter verlust) sondern über die formulierung größtmögliche sicherheit. größtmöglich? das werden sie unglaublich komisch finden. denn, daran werden sie sich gar nicht (aktiv) erinnern: aus einer was-auch-immer-alles-noch-sicherer-macht-frist von zehn monaten werden mindestens zehn jahre, imma sicherer.
#
dagegen wird nun, mit nicht weniger sicherheit, die idee einer innerkoalitionären opposition nur ein wimpernschlag in der geschichte sein, im leerplan.
fertig (ich habe gestern sogar quer ausfallen lassen und lieber das buch zu ende gelesen). und ich staune, ich hab nicht erwartet, daß es mir so gut gefällt. obwohl ich ja nur gelesen habe, was ich selbst erlebt habe, wenn auch anders, natürlich.
die kritiken, die ich jetzt erst gelesen habe, sind eher verhalten. aber so ist das eben. ich habe schon hochgelobte bücher entsetzt und unter qual ausgelesen. auf kritiken gebe nichts (mehr). doch, schreibe ich mal in richtung freitag, der autor darf seiner sprachlichen stärke trauen. und die fußnoten gehören unbedingt dazu, aber dazu müßte man eben 25 jahre weiter denken. und abgesehen davon und von irgendwelchen motiven, hier würde nicht-ossis, vielleicht sogar amerikanern (das muß man nicht wirklich verstehen), dieses buch lesbar gemacht werden, ist es eben schrecklich (auch im nachhinein), wenn es als nebensächlich erachtet wird, in welchem zusammenhang bei dynamo was betont wird: "dynaamo war fußball, die betonungsverschiebung zeigt den bedeutungswechsel an, sie steht für die aneignung durch die leute." oder: der konsum mit der betonung auf o, weil "konsum mit betonung auf dem u etwas ganz anderes ist." (und trotzdem passt zu beiden begriffen: kauft ohne nachzudenken sinnlos unseren mist.) ich kann mich noch gut erinnern, wie wie regelmäßig zusammenzuckten sind, wenn von einem roschtock die rede war. und vergessen werde ich auch nicht, wie uns 1993(!) der wunsch vorgetragen wurde, mal einen tra(h!)bi zu fahren. das macht doch keinen spaß, wenn sich irgendwer einfach die sachen aneignet, durch betonungsverschiebung.
der dritte teil des buches hat mir klargemacht, daß ich dieses "fabelhafte jahr der anarchie" etwas verklärter in erinnerung hatte. vielleicht war es auch etwas anders in leipzig, weg von zu hause. wo wir durchaus wußten, daß es (popkulturelle) neonazis gab, die sich widerum von der bürgerrechtlichen opposition in der ddr abzugrenzten, von allem linken. (ich war damals irgendwie der ansicht, die müssen so einen irren opa zu hause haben, der ihnen das schmackhaft gemacht hat, das herren-deutschtum und all die anderen verschrobenen ansichten.) man kannte sich vom sehen, die gleiche schule. und die kannten typen: echte neonazis, die man nicht kennen wollte. und verlor sich aus den augen. ohne jedes bedauern.
und zu guter letzt, hat der autor das letzte wort.
aber nö, hab ich hier nicht das letzte wort?
thank you for the music.
maschinenwinter, das buch mit der immer noch ambitionierten leseecke auf seite 27. (in meine eigenen bücher erlaube ich mir so viele leseecken, wie ich sie brauche. aber nur in die eigenen.) darunter lag doch "nur" noch argos, müßte ich eigentlich groß schreiben: ARGOS, aber das braucht man es nicht.
#
na schön, das system:
das beste, schönste und schnellste in 2014: und was das beste, schönste und schnellste, vielleicht auch dümmste, blödeste oder was auch immer sein könnte, in 2015, werden wird. ich will das alles gar nicht wissen.
ich weiß nur unnütze dinge. dinge, bei denen ich nicht weiß, ob sie auch 2015-tauglich sind. aber die dinge werden sich letztenendes dem 2015 schon irgendwie anpassen.
the revolution will not be televised.
oder.
um es mit hagen rether zu sagen:
"Wir haben doch die Wahl. Kannste Sarrazin lesen oder Navid Kermani.
Wir haben immer die Wahl zwischen beidem."