es gibt meinungen, die ich unerträglich finde. was ich jedoch genauso unerträglich fände, ist die einschränkung der meinungsfreiheit. denn wenn vor allem die meinungen hart aufeinander treffen, sind schnell rede-denk-und gegenrede -verbote im spiel. ein recht auf solche verbote ist nicht verbrieft, weil die meinungsfreiheit reicht und sie reicht sehr weit. sie umfaßt sogar die empörung, die letztlich nichts anderes als eine freiheit an der empörten meinung ist. (es könnte also reichen, leuten die anderen leuten am liebsten den mund verbieten möchten, zuzurufen "empört euch!" - aber das ist gerade ein anderer film; und das wohl auch.)
ich wollte sagen, daß sich die aufregung zuweilen nicht an der anderen meinung entzündet sondern an der polemik mit der sie vorgetragen wird; manchmal auch mit bewußter verletzung des oder der anderen schlechthin. und es gibt kommentare, da hat man den eindruck, die kommentatoren kommen freiwillig einem denkverbot nach, als seien sie unter dem gebot der absoluten denkfreiheit entstanden. aber genau das empört die anhängerschaft jener kommentatoren nicht. über so was regt man sich nicht auf.
worauf ich hinaus will?
verbote erlauben ist schon ein widerspruch in sich. die meinungsfreiheit, scheint mir, wird zu einem dieser standards, deren zwiespältigkeit wir aushalten müssen, auch wenn uns andere meinungen absolut zugegen laufen. weil man sich die grundsätze, unter denen man vielleicht rumkrabbeln will, nicht immer und immer weniger aussuchen kann. in diesem fall haben wir tatsächlich mal keine andere wahl, wenn wir die meinungsfreiheit aller jetzt nicht verteidigen, ist unsere auch im eimer.
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erlauben sie mir zum schluß den hinweis, da wir in anderen dingen zum glück die die wahl haben.
so seltsam ist das nicht, daß die das-wird-man-doch-sagen-dürfen-leute einerseits behaupten: da(s) darf man nicht (nach)fragen. sie sind aber nicht allein in diesem widerspruch, ihr gegenpart ist es andererseits auch.
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nicht die zeit, die gesellschaft ist aus den fugen. oder jedenfalls teile von ihr.
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es gibt da eine sternstunde, die ich nur teilweise (den schluß, sozusagen auf 3sat im nachlauf, denn normalerweise schaue ich sie übers internet) geschaut habe, weil sie mich nicht wirklich intressiert hat. einfach, weil ich kein mann bin, obwohl "man" ja ahnt, daß die frage, ob das böse männlich ist, mit nein beantwortet werden kann. ich verlinke sie deshalb, weil es unter anderem auch um gewalt von zuwanderen (mir fällt kein anderer oberbegriff ein, denn nicht alle sind flüchtlinge, aber auch nicht einwanderer) geht. steigt durch sie das gewaltpotential? was sollte man tun? undsoweiter. das schöne ist, daß so was in einem gespräch erörtert wird (wird es in der "sternstunde" eigentlich immer). so ist es erst möglich, daß man sich positionen gedanklich nähern kann oder auch von bestimmten positionen entfernen kann. aber in ruhe. und wenn es schon um gewaltbereitschaft geht, diese gewalt, die nicht zu vernachlässigen ist. das ist das gegenteil einer zivilisierten gesellschaft, die sich aufs argumentieren verlegt hat. von offen gar keine rede.
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meine rede wäre vielleicht die geschichte, daß ich jeden tag, wenn ich auf arbeit gehe, an einem kiosk vorbeigehe, manchmal hinein, in dem männer arbeiten, die wohl in das opferschema des nsu passten. und ich will mir nicht vorstellen (nicht nur weil sie mir immer "noch einen schönen tag" wünschen), daß ... die aufhetzerischen und zum teil hysterischen kommentare nsu-ähnliche konsequenzen haben. denn konsequenzen haben sie, irgendwie immer.
ich schaue mir den presseclub regelmäßig an, bin auch nur ein gewohnheitstier. der eine ist mal unterhaltsamer als der andere. und heute? hat herr weimer lang und breit und wie es seine art ist, dargelegt, wie die medien sich mit einer sache gemein gemacht haben. fast als seien sie im auftrag der regierung unterwegs. womit er (erstaunlicherweise) sogar recht hatte, nur in der sache würden wir streiten.
in minute 32.00 wird eine frage gestellt: wer hilft eigentlich dem sogenannten kleinen mann, dem einfachen bürger, wenn er in 'ner krise ist, wenn er merkt, die lebensbewältigung ist schwieriger geworden in zeiten der globalisierung. die welt verändert sich radikal und ich komm' nicht richtig mit, ich komme ein bißchen unter die räder. ist da überhaupt eine politische vertretung da? hat die linke das aufgegriffen oder hat die linke die soziale frage auch ein bischen rechts liegen lassen? diese frage wurde mit ja beantwortet.
ich stecke immer noch im: hä? oder, wann denn bitte hat die linke sich nicht für den sogenannten kleinen mann und bürger eingesetzt? hat sie wohl deshab nicht, weil die medien, die in der sache die linke weitestgehend - und damit den kleinen mann, auch den bürger - ignorieren.
eine politische vertretung im presseclub wäre deshalb begrüßenswert.
kein adventskalender in diesem jahr. ich habe einfach zu viel zu tun. plätzchenbacken, basteln. weihnachtskonzert hier und brunchen dort. und überhaupt.
aber gäbe es einen, hätte ich sicher diese sternstunde verlinkt. hier geht es um nichts weniger als den liberalen traum, der uns, wenn nicht abhanden zu kommen scheint, doch unter druck gerät.
(hans hütt)
freiheit, sagt hagen rether, ist anstrengend und man merkt sie erst, wenn sie weg ist. und natürlich ist freiheit eine zumutung. vielleicht aber "nur", wenn der freiheitsbegriff zu sehr verengt wird, wenn man die soziale freiheit vergißt.
the revolution will not be televised.
oder.
um es mit hagen rether zu sagen:
"Wir haben doch die Wahl. Kannste Sarrazin lesen oder Navid Kermani.
Wir haben immer die Wahl zwischen beidem."