18
Januar
sicher gäbe es da noch den einen oder anderen beitrag zum bösen n-wort zu verlinken; stefan gärtner resümiert aus meiner sicht sehr treffend, worum es (auch) geht: um den Seelenhaushalt unserer nimmermüd besorgten Mittelschichtseltern, für die in einer Gesellschaft, „die sich auf kein humanistisches oder soziales Ziel mehr einigen kann“ (Metz/Seeßlen), Moral nur ein anderes Wort fürs Klasseninteresse sein kann: Denn zu wissen, dass man weder „Neger“ sagt noch „wichsen“, unterscheidet einen auch dann noch vom Pöbel, wenn sich die Altbauwohnung vielleicht nicht mehr bezahlen lässt.

das bringt mich auf einen begriff, den ich letztens gelesen habe, „mitfühlender totalitarismus“, wobei hier* der bogen viel weiter gespannt wird. aber man kommt nicht umhin, diese tendenz(en), eine "neue Moral- und Tugendinstanz", überhaupt eine solche, zu etablieren oder sich zu etablieren zu lassen, zu sehen.

ich verstehe das nicht, diesen hang zur unselbstständigkeit; lieber sich bevormunden lassen, als sich womöglich nicht korrekt zu verhalten: diesen hang zu selbstvergewisserung. fehlt eben nur noch die lebensmittelampel, alarmstufe rot für chips - nicht weil man da nicht selbst drauf kommt (und mitnichten möchte ich jetzt, natürlich nicht, als fürsprecherin der "lebens"mittelbranche verstanden werden).

*wobei ich diesen satz als ziemlich unsinnig empfinde: "Die Linke ist als Partei nicht etabliert genug, da jeder weiß, dass sie hinter den Kulissen noch immer ihr nostalgisches kommunistisches Süppchen kocht."

mitschuetteln

 
In brandenburgischen Restaurants bestelle ich zuweilen ein Zigeunersteak. Ich tue das ohne abwertende Hinter- oder Vordergedanken den Sinti und Roma gegenüber. Ich mache keinen Unterschied zwischen einem Jägerschnitzel und einem Zigeunersteak. Es ist für mich ein Menüvorschlag, keine Weltanschauung. Das mag damit zusammenhängen, dass ich in einer Zeit aufwuchs, in der man noch nicht so viel über politische Metabotschaften von Speisekarten nachgedacht hat.
 
Hierzulande ist etwa der »Mohr« noch hie und da anzutreffen, wenngleich er zunehmend aus der Öffentlichkeit verschwindet. Ich muss erwähnen, dass Frau phom liebend gerne »Mohr im Hemd« isst. Nun bin ich unsicher, ob Ihnen diese Süßspeise ein Begriff ist, aber in Österreich ist sie jedenfalls sehr bekannt und nicht minder beliebt, würde ich meinen. Vor geraumer Zeit saßen also die bessere Hälfte und ich in einem Kaffeehaus, das wir nicht das erste Mal aufgesucht hatten, und Frau phom begehrte wie so oft einen »Mohren«, wenngleich die Chancen dafür schlecht standen, da wir ihn auf der Menükarte vergeblich gesucht hatten. Als wir dann nachbohrten, erfuhren wir, dass sie »selbstverständlich« einen solchen im Angebot hätten, dass sie ihn allerdings auf der Menükarte aus Gründen der »political correctness« nicht anführten dürften. Freilich stand dies in keinem Gesetz, sie hatten ihn lediglich in vorauseilendem Gehorsam von der Karte gestrichen.


In Salzburg gibt es noch einen Mohr

Ich bin etwas skeptisch, wenn es um Sprache als Mittel der Bekämpfung von Diskriminierung geht. Die Gender-Theoretiker glauben ja auch, mit Binnen-I-Setzung Gleichberechtigung herbeischreiben zu können. Wenn dann historische Literatur abgeändert werden soll, weil sie einigen nicht mehr zeitgemäß erscheint, dann frage ich mich schon, wie lange es noch dauert, bis man einen Klimt ummalt. Für mich fällt das in dieselbe Kategorie - es ist eine Anmaßung sondergleichen.
 
ich wußte (natürlich) nicht, was ein "mohr im hemd" ist.
der vorauseilende gehorsam, das meine ich, das ist doch irre.
was machen jetzt eigentlich die mohrenapotheken, sich umbenennen?

ich finde es gut, über sprache und wortwahl zu diskutieren. es ist wichtig, zu reflektieren, daß sprache sich ändert und warum. ich könnte mir vorstellen, daß das kommentiert sinnvoller ist, als wörter einfach zu streichen. denn, wie sie bereits schrieben, die probleme: rassismus oder diskriminierung, sind ja nicht aus der welt mit einer streichung, vielleicht "nur" verdrängt?

diesen gender-quatsch (da sehen sie es, die wortwahl ist natürlich absichtlich) habe ich ja sowieso gefressen. obwohl ich das mit den töchtern eigentlich ganz witzig finde.
ganz und gar unwitzig finde ich jedoch die selbsternannte (oder -ermächtigte) sprachpolizei - in anführungszeichen(!); das ist so ..., das muß ich einfach zitieren: "Ganz ehrlich, wenn ich wahrscheinlich nicht schon gelabeltes Mitglied der “Sprachpolizei” wäre – spätestens jetzt würde ich mich auf der Sprachpolice-Academy anmelden."
dieses resümee läßt, falls es vorher argumente gab, diese schnell vergessen. (abgesehen davon, daß ich dieses unterstrich-innen unlesbar finde.)
den klimt zu übermalen, bis er ins weltbild passt, wäre dann nur ein weiterer schritt richtung rechthaberei.
 
Kennen Sie eigentlich das Coburger Stadtwappen?

Als die Amerikaner in Coburg einmarschierten, hingen dort Fahnen mit dem Stadtwappen sowie weiße Bettlaken in den Fenstern. Und jetzt raten Sie einmal, welche Hautfarbe die GIs hatten, die aus den Panzerluken schauten.

Zwei Stunden später kamen die ersten Kinder mit Kaugummis und Schokolade nach Hause.
 
das kannte ich nicht. der mohr im stadtwappen, das scheint mir kein einzelfall zu sein (entweder, ich bin gedankenlos oder ich denke nichts schlechtes, nicht grundsätzlich).
nun, wenn sie so fragen, waren das etwa keine weißen, weißhäutige? oder wie ich letztens las: "bin ich weiß? nein. rosa-zart..."
 
Klar, es waren Afroamerikaner. Manche der jüngeren Kinder hatten erst einmal Angst, weil die Männer, die da aus den Panzerluken schauten, so groß waren. Und ohnehin die ersten Schwarzen waren, die sie sahen. Sie kannten bis dato nur den Sarottimohren.
 
"wer hat angst vorm schwarzen mann"

die geschichte erzählten meine thüringer anverwandten vielleicht (dann doch, später dann noch) anders.
die amerikaner, alle, waren die befreier, die russen (obwohl kreidebleich, mutmaßlich) die besatzer.
mit worten oder unworten kommt man dem rassismus bestimmt nicht bei. nicht wirklich.
 
Ich denke, es wäre vielleicht nicht ganz so furchteinflößend gewesen, wenn diese Männer nicht gerade auch noch aus Panzern herausgeschaut hätten. Panzer sind nun einmal riesig und laut. Und vermutlich haben die GIs beim Einmarsch nicht unbedingt freundlich geschaut (wer jemals der amerikanischen Militärpolizei begegnet ist, weiß, wie grimmig die auch heute noch schauen können, da kann man echt Angst kriegen). Dass die GIs alles andere als grimmig waren, zeigt sich daran, wie sie die Kinder direkt nach der Ankunft mit Schokolade und Kaugummis beschenkten. Das dürften deren eigene Rationen gewesen sein, es ist doch eher unwahrscheinlich, dass die kämpfenden Truppen Hershey's zu PR-Zwecken mit sich führten. Auch chewing gum muss für die Kinder, insbesondere für die Flüchtlingskinder, die nichts mehr besaßen, unglaublich gewesen sein.

Für uns ist der Anblick von und die Begegnung mit Schwarzen heute so normal und selbstverständlich, dass wir es wohl nur noch schwer vorstellen können, wie exotisch das für die Kriegskinder gewesen sein muss. Am ehesten kann ich es noch auf umgekehrte Weise nachvollziehen, wenn ich in Ostdeutschland unterwegs bin. Dort finde ich das Straßenbild immer etwas ungewohnt und "fremd", weil es da eben kaum welche gibt. Selbst ausländische Touristen sieht man nur wenig, mit Ausnahme von Weimar vielleicht, da trifft man am ehesten noch ein paar Asiaten.

Dass Ihre Verwandten in Thüringen die amerikanischen Truppen als Befreier, die sowjetischen Truppen aber als Besatzer empfanden, wundert mich übrigens nicht.
 
ich habe das mal erlebt, beim campen. da fuhr urplötzlich eine panzerkolonne vorbei, (wahrscheinlich gab es im umkreis der mecklenburgischen seenplatte genau so viele campingplätze wie sperrzonen und russenkasernen, wie wir sie nannten) das das war im wahren sinne des wortes erschütternd. danach steht nichts mehr, kein grashalm.

wenn man sich, ich mich, tagtäglich durch eine stadt bewegt, in der alles egal ist, was vielleicht gut ist, da bleibt aber auch vieles auf der strecke; fühle ich mich im vielbesagten ostdeutschland zunehmend unwohler. ja, und das tut auch weh, die ostdeutschen haben ein problem mit ausländern, um das mal neutral zu formulieren. vielleicht haben sie mit sich selbst "genug" zu tun. ich weiß es nicht. ich weiß es nicht, weil heimat: ja; zu hause: nein.
 
In die Debatte hat sich übrigens auch eine 9-jährige ZEIT-Abonnentin eingeschaltet. Und nein, ich habe da keine Zahl vergessen.
 
naja, da möchte man die akademische diskussion und sichtweise lieber über bord werfen. aus dieser sicht müßte man das n-wort streichen sofort.
aus büchern ist nicht aus köpfen gestrichen, leider.
international betrachtet: die türkische übersetzung der "kleinen hexe", also der weisen frau (klein oder nicht) scheint auch nicht so einfach: übersetzt sich nicht so leicht, wegen der türken oder lieber osmanen, oder doch araber . . .

streichen und umschreiben - einen bedarften oder unbedarften, früher gebräuchlichen (nicht mehr akzeptablen), heute unmöglichen wortgebrauch - am besten damit: alles in die südsee (weit weg!). weit weg, irgendwohin damit!
 
oh oh.
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update: 2024.04.26, 20:47
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