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Januar
jetzt aber wirklich: „deutsch in kaltland“ jonathan widder erinnert sich, wie er vor ein paar jahren von seinem ersten besuch in der ukraine nach deutschland zurückkehrte, wie sich auf seinem heimweg „die erinnerung mit aller kraft ins bewußtsein rammte: disziplin, fehler vermeiden. man muß sich schließlich anpassen an die deutsche leitkultur. auch als deutscher.“

ja, unsere leidkültüre (die ich mit absicht so schreibe, man muß dann beim aussprechen der gleichen die lippen spitzen, so klingt sie gleich ganz vornehm), was wir auch immer darunter verstehen, wollen oder können.
er schreibt weiter, daß wenn er nach längerer zeit aus dem osten zurückkehrt, seine wichtigsten gefühle verbirgt, einfriert “bis ein geeigneter zeitpunkt kommt, um sie wieder aufzutauen“ das könne auch schon mal in deutschland geschehen, mit deutschen “vielleicht so ein-, zweimal im jahr“

leben wir in einem kalten land? in einem land, in dem wir vor allem "unser ich perfektionieren"? in einem land, in dem die die bleiben, über soziale kälte und „ein gefühl der inneren leere“, eine gesellschaft, die “in sich zerfällt“ klagen? während andere ihm den rücken kehren. und, wie passt das zur „idealen gesellschaft; zu einem land, das einen lebensstandard kennt wie wenig andere, in dem die menschenrechte grundsätzlich respektiert werden und das sich zu den fortschrittlichsten regionen der welt zählt?"
sind wir, das ist die frage, nicht mehr menschlich (genug)? obwohl "all unsere handlungen bis ins tiefste moralisch durchdacht sind“ ist uns das vorbildlich sein, welches sich vor allem in "produkten und leistungen verwirklicht, wie dem bremssystem im neuen audi a8, über immer effizientere solaranlagen bis zum tsunami-schutzwall in südostasien“ wichtiger, so daß der einzelne, dem aufmerksamkeit fehlt, “die seine seele bräuchte, als nahrung und wasser“ zwar in der “bestmöglichen gesellschaft lebt, aber nicht in ihr glücklich wird“?

so viele fragezeichen. und was erst passiert, wenn man versucht, “das ganze sach-missverständnis nicht ganz so ernst zu nehmen“ man könnte genauso gut versuchen, “in ein karusell einzusteigen, daß sich mit wahnsinniger geschwindigkeit dreht“. mitmachen? “dann springt man auf, bewirbt sich, stellt sich vor, wird akzeptiert, arbeitet mit, entwirft projekte, man schafft wie ein berserker und steht irgendwann – wer hätte das gedacht - im mittelpunkt der welt und der projekte.“ bis man irgendwann merkt, daß man selbst (um seiner willen) nicht im mittelpunkt steht, sondern das was man macht. "anerkannt wird nur echte leistung“, ehrlich und streng.

aber wenn das alles ist, was anerkennung bedeutet. woanders ist anerkennung mit guten freunden am tisch sitzen und mit fragen und antworten förmlich überschüttet zu werden. und so, auch weil wir so kritisch sind, werden wir stachelig. die stacheln auszufahren ist der beste schutz.
unser schland? ein stacheliges kaltes, im optimierungswahn gefangenes land?
jein. das ist, ich weiß, keine befriedigende antwort.

(ich habe mich nur auf die textstellen fokussiert, die mich besonders bewegt haben.)

---
randnotiz: das ist mir das eine und andere mal früher schon eingefallen, daß man leute, die fremde, andersdenkende (was weiß ich) diskriminieren, loswerden oder schlimmer lieber noch, auslöschen wollen, besser mal für eine zeit in die fremde schickte, so daß sie selbst mal fremde sind in der fremde. vielleicht würde es ihnen die augen öffnen: heimzukehren.

 
 
last but not least

(die gazette)

 
 
weitere szenen im ballaballaschland
(ich glaube, es ist eine tragische komödie)

Man müsse, so sagt Friedrich, die Linken auch deswegen beobachten, weil man sonst nicht begründen könne, Landtagsabgeordnete der NPD zu überwachen. Schließlich gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz. Heilige Einfalt.

und

Eine Partei wickelt sich ab.



und wenn in großer leuchtschrift die wörter WACHSTUM WOHLSTAND STABILITÄT an der wand erschienen wären - nichts hätte mehr geholfen, denn nun standen die fragen im raum, die, die von denen wir leben und durch deren entzug wir sterben können
(was bleibt; christa wolf)

 
 
in der sz war gestern die gekürzte rede von navid kermani zur eröffnung der lessingtage abgedruckt, was für eine rede! hier ungekürzt. ich muß unbedingt mal ein buch von ihm lesen.

aber vorher:

 
 
die berliner zeitung macht heute richtig spaß: haben-haben, ich-ich-ich,
götz alys kolumne zur rabattkultur. und, macht auch spaß (jaja): wulffs verteidigung ist schwere feigheit im amt von stephan hebel.

 
 
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update: 2024.04.22, 20:27
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